Erfahrungsbericht GT Convertible Modell 2020 – die ersten 9000km

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Ulfkoenig
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Erfahrungsbericht GT Convertible Modell 2020 – die ersten 9000km

Beitrag von Ulfkoenig » 26. Jun 2020, 15:46

Liebe Mustang Gemeinde,
ich habe einfach mal Lust, mir die ersten 6 Monate mit unserem neuen Pferd im Stall von der Seele zu schreiben. Für alle Fortgeschrittenen unter uns sind diese Zeilen sicher gerade mal tauglich, sich nebenher ein Brot zu schmieren. Aber für alle, die noch auf ihren Neuerwerb warten oder noch überlegen, ob sie es wagen sollen – für die sind meine Zeilen vielleicht hilfreich oder sie machen ein wenig Vorfreude. Ich versuche, meine Eindrücke ein wenig zu strukturieren, damit es nicht zum Aufsatz „Mein schönstes Ferienerlebnis“ ausartet. Letzte Chance für Ungeduldige zum Weiterklicken: Der Post ist ewig lang! :supergrins:

Intro:
Im Januar 2020 haben wir unseren Mustang geliefert bekommen.
Convertible, Standard-Fahrwerk, Standard Reifen-/Felgenformat, AT, weiß/innen braun. Die Fahrerfahrungen der letzten 30 Jahre bis heute durchgängig auf Autos der 60er-80er Jahre. Angefangen von Citroen DS, über BMW E3 und E30, Camaro der 70er, Chrysler LeBaron, Mercedes querbeet, Alfa und Audi. Also war klar, dass der Mustang uns in die aktuelle Auto-Welt beamen würde. ESP, Multimedia, belüftete Sitze….alles Themen, die wir bis dato nur aus der Presse oder von Mietwagen kannten. Aber wenn nicht jetzt – wann dann? :Banane:
Erkenntnis:
Alles richtig gemacht – Das Auto erfüllt noch mehr unserer Wünsche, als wir zu hoffen wagten. Für uns und unser Fahrprofil genau die Erfüllung eines „spätpubertierenden Traums“. :D
Viel Landstrasse, Pässetouren, alte Bergrennstrecken – gerne im ambitionierten Miteinander mit Freunden aus dem Alfa-Club. Autobahn auch – aber meist mit Reisegeschwindigkeit von 160-170km/h. Seltener über 200km/h. Seit Verschärfung des Bußgeldkatalogs vorerst mal etwas zurückhaltender – aber wir suchen schon nach passenden technischen Möglichkeiten….Nicht wegen eines Freibriefes zum Rüpeln auf freier Strecke, aber inzwischen ist der Lappen doch schon empfindlich schnell weg – fast schon Schweizer Verhältnisse.

Jetzt zu den Erfahrungen:

Fahrsicherheit:
Alles fing mit einem Riesen-Respekt an.
Was habe ich in mentaler Vorbereitung in unserem Forum nicht alles gelesen über das zurückhaltende ESP, Fahrwerksschwächen ab 200km/h, Reifenprobleme und die vorsichtige Erkenntnis, dass das schwächste Glied in der Kette der beherrschbaren Fahrphysik vielleicht auch mal vorne links sitzen könnte.
Dann die erste Probefahrt: Schon nach 2km quer auf der Kreuzung gestanden. Aus heutiger Sicht: Danke, dass mir das passiert ist – heute weiß ich´s besser und weiß, warum der rechte Fuss und das Hirn idealerweise permanent verbunden sein sollten.
Heute:
Solange mein Hirn eingeschaltet bleibt, das erstaunliche Gefühl von guter Beherrschbarkeit (Fahrsicherheitstraining leider wegen Corona abgesagt – kommt also später). Der wohl größte Fehler, welchen ich mir vorstellen kann, ist beim Überholen auf der Landstrasse bereits im Rüberziehen (also mit leichter Lenkbewegung) mit Kick-down das Herunterschalten zu erzwingen. Für solch „digitales Gaspedal-Treten“ hat der Mustang einfach zuviel Leistung – oder meine eigene Performance ist noch ungenügend. Es ist einfach nicht richtig planbar, wieviele Gänge die Automatik herunterschaltet. Und bei 70km/h auf einmal im 3./4. Gang und Volllast zu landen, kann u.U. des Guten zuviel sein. Dann sollte die Fahrbahn-Oberfläche wirklich günstig sein. Derzeit arbeite ich in solchen Situationen am liebsten mit den Paddles und wähle mir VOR dem Überholen den richtigen Gang. Also genauso, wie ich das mit einem Schalter auch machen würde.
Bremsen fantastisch und auch auf Bergtouren fadingfrei.
Mit Michelin-Winterreifen auf den ersten 6.000km grandiose Erfahrungen gemacht. Hervorragendes Nässeverhalten und sehr guter Grip in engen Kurven auch bei tiefen Temperaturen. Können viel mehr, als wir uns bei 5Grad Außentemperatur selbst zugetraut haben.
Jetzt im Sommer Michelin 4S. Ebenfalls ganz hervorragend. Dank Felgenschutz auch ungefährlicher beim Parallel-Parken am Bordstein. Für mein Empfinden etwas empfindlich auf Spurrillen – zumindest empfindlicher als die Winterreifen. Hervorragender Grip in Kurven und beim Bremsen. Aber auch das ist alles in den diversen Reifen-Tests schon ausführlich beschrieben worden.

Fahrdynamik:
Über den Motor verliere ich keine weiteren Worte. Die offiziellen Messwerte sind aussagekräftig. Drehfreude des Motors ist gigantisch. Diese Kombination aus Drehmoment und Drehfreude ist unglaublich. Und das alles als Sauger!
Alles was ich bislang im Forum zum Fahrwerk gelesen habe, können meine Frau und ich gut nachvollziehen. Auf der Autobahn für uns ausreichend spurstabil. Auf der Nordschleife waren wir noch nicht – da werden die Hochgeschwindigkeitsgrenzen in der Standard-Konfiguration sicher deutlich. Aber Landstrassen mit welliger Fahrbahn und Spitzkehren bringen das ganze Auto in Bewegung. Torkelbewegungen um die Längsachse und mangelhafte Dämpfung der Hinterachse sind auffällig. Bis jetzt noch nie ein Grund für uns, vom Gas zu gehen. Aber das geht besser. Nicht überraschend für uns, wir waren darauf eingestellt und werden demnächst erste Modifikationen durchführen lassen. Wir fangen klein an mit Domstrebe und Stabilisatoren vorne und hinten. Dann wieder testen. Tieferlegung kommt für uns nicht in Frage. Ob andere Dämpfer notwendig sind, werden wir sehen. Aber auch dazu gibt´s bei uns im Forum ja schon massenweise Erfahrung.
Bei der Lenkung habe ich gemerkt, dass sie bei schnellen Korrekturen etwas „steif“ wird. Das möchte ich mal beobachten.

Getriebe / Fahrwerkmodi:
Hier muss ich eingestehen, dass wir immer noch in der Lernphase sind und vieles noch nicht ausprobiert haben. Der Tasten-Modus steht bei uns immer auf „Normal“. Das mag sich noch ändern. Bevorzugte Einstellung bis heute:
Autobahn mit Schalthebel auf N; Landstrasse auf S (wahlweise mit oder ohne Paddles)
Wir sind schlicht begeistert. „Freude am Fahren“ ist von einer anderen Marke belegt, aber hier passt es auch. Manchmal habe ich den Eindruck, dass die Paddle-Signale ab einer gewissen „Klick-Geschwindigkeit“ nicht mehr so ganz hinterherkommen. Aber zu einer kritischen Situation hat es noch nicht geführt. Drehmoment ist immer üppig, manchmal ist das Getriebe mit Schalthebel auf „N“ etwas träge oder undifferenziert im Runterschalten. Für Landstrassen m.E. nicht die erste Wahl. Aber dafür gibt ja dann andere Einstellungsmöglichkeiten.

Benzinverbrauch:
Hin-und wieder rechnet sich der Bordcomputer die Werte etwas schön. Meistens darf ich 0,6l/100km addieren. Niedrigster Wert: Autobahn (Verdeck offen) mit Tempomat 130km/h – 10,6L; Höchster Wert bislang: Bergtour auf mit Wählhebel auf S (Modus auf Normal); meistens Schalten mit Paddles mit Drehzahl von max 5.500U/min – 15,5L.
Ganz ehrlich – ich hatte mit deutlich höheren Verbräuchen gerechnet und bin begeistert. Wir kommen aber auch nicht aus der Fraktion der Audi A6 Diesel mit Drehmoment ohne Ende bei beneidenswerten Verbräuchen – war nie wichtig für uns und wir sind da belastbar. :roll:

Interieur, Ergonomie:
Für uns überraschen gut und wertig verarbeitet. Ja, man sieht, wo gespart wurde. Aber irgendwo muss dieser konkurrenzlos günstige Preis ja herkommen.
Die Standard-Sitze sind für uns mehr als ausreichend. Bei meiner Körpergröße von 191cm fehlt es etwas an der Unterstützung der Schultern – besonders bei Kurvenfahrten. Aber für uns kein Grund, den nicht bestellten Recaros hinterher zu trauern.
Die Knöpfe sind überwiegend sinnhaft verteilt. Die Tasten für das Einschalten des Tempomats sind m.E. etwas fummelig. Aber da gibt es sicher Schlimmeres.
Was wir vermissen:
Memory bei der Sitzverstellung und Zentral-Schalter für die Fenster. Das haben wir bei unserem Audi-Cabrio aus den 90ern kennengelernt und ist sehr praktisch.
Mit den elektronischen features fremdele ich noch etwas. Ich mag einfach nicht ewig durch irgendwelche Menüs klicken auf der Suche nach der nächsten Einstellmöglichkeit von irgendwas. Das ist aber nicht dem Auto anzulasten. Kein Wunder, wenn wir die Fahrzeugentwicklung nach 1996 aus dem Blick verloren hatten.

Was mir dabei überhaupt keine Hilfe ist:
Das Bordbuch. Aufbau und Gliederung ist für mich persönlich grausam. :Zorn: Es soll mir bei Bedienungsfragen bitte niemand von den Forumsmitgliedern mit dem Satz kommen: „Guck mal ins Bordbuch – da steht´s drin“. Alleine schon die Un-Möglichkeiten von Keyless Go und Diebstahlschutz lassen sich m.E. nur über try & error ertasten. Aber wir haben das Auto ja nicht wegen der elektronischen features gekauft. Und mit dem Koppeln der smartphones mit SYNC fühlen wir uns ja schon, als ob wir die bemannte Raumfahrt entdeckt hätten :supergrins: . Wenn sich jetzt noch Google Maps auf dem SYNC spiegeln ließe, ohne vorher einen Computer-Kurs zu machen…. ;)

Alltag (Kofferraum, Reisen, Einkaufen, Parken):
Ja, die Karosserie-Maße sind üppig. Wir hatten auf unseren Probefahrten darauf geachtet, ob das Auto für uns auch „für die Fahrten zum Bäcker und Metzger“ tauglich ist. Ja, ist es. Die Übersichtlichkeit nach schräg hinten bei geschlossenem Verdeck ist genauso dürftig wie in den meisten heutigen Handelsvertreter-Kombis. Wer noch aus der Generation kommt, die mit einem rechten Außenspiegel nicht nur die Hauswand mitnimmt sondern ihn auch als Einparkhilfe nutzt, der freut sich über die Rückfahrkamera als nettes add-on. Aber sie ist m.E. nicht überlebensnotwendig. Und ja, die Sicht nach vorne ist stark abhängig von Körpergröße bzw. der eingestellten Sitzhöhe. Ob eine Nachrüstung einer PDC für vorne notwendig ist? Wir haben uns nach 6 Monaten Training klar dagegen entschieden.
Der Wendekreis von 12m ist absolut alltagstauglich. In Verbindung mit der direkten Lenkung sowohl in kleinen Ortschaften als auch in Spitzkehren völlig problemlos.
Kofferraum tauglich für 2 mittelgroße Hartschalen-Koffer und diverse Taschen und Jacken.

Emotion und soziale Akzeptanz:
Mit einem Auto mit H-Kennzeichen unterwegs zu sein, bringt häufig lächelnde Gesichter. Eigentlich nie ein Kommentar in Richtung „die mit der alten Karre verpesten uns die kostbare Luft“. Eher freundliche Kommentare oder die berühmten Redewendungen „Mein Onkel Erwin hatte auch mal so einen….“. Vor dem Kauf des Mustangs waren wir da skeptisch. Aus heutiger Sicht: unglaublich viele strahlende Gesichter. Von Schuljungen auf ihren Fahrrädern mit Daumen hoch, genauso wie von dem braven Familienvater, der feststellt, dass da auch bei ihm noch ein paar unerfüllte Träume übrig sind. Und sogar brave Hausfrauen, die den Sound „mal so richtig klasse“ finden. Noch nicht ein einziges Mal blöde Kommentare. Allerdings kommt unser Convertible mit der Farbkombination und den silbernen Felgen auch eher „zurückhaltend“ rüber. So ein wenig „classic style“ war auch unser Wunsch. UND: Die Mustang community ist eine „Gruß-Gemeinde“ – uns macht das Freude.

Customizing:
Da wir ja noch andere Schätzchen im Fuhrpark haben, die in den letzten Monaten sträflich vernachlässigt wurden (der Mustang hat allen irgendwie vorübergehend die show gestohlen), werden sich die Modifikationen im Rahmen halten.
Konkret geplant:
Mittelkonsole und Türpappen mit braunem Leder; Fahrwerk (siehe Kommentar oben); Steinschlag-Schutzfolien an Frontpartie. Suche nach Möglichkeiten, um die Streckenposten mit ihren mobilen Fotostudios frühzeitig zu erkennen. Und ansonsten fahren-fahren-fahren. Schließlich ist ein Traum in Erfüllung gegangen.

Zum Schluss:
Nächtelang habe ich in unserem Forum gelesen und von Eurem know-how profitiert. Ja, ich habe mich auch seitenweise durch fruchtlose Diskussionen gewühlt. Aber am Ende war da immer wieder eine Info, die mich weitergebracht hat. Danke an alle, die zu einer guten Qualität beitragen und Hochachtung vor den Admins, die den Überblick und eingreifen, wenn´s hilfreich ist. Das habe ich so perfekt noch nie in einem Auto-Forum erlebt.

Euer Ulf
Ulf
„Das Leben ist eben doch ein Ponyhof“

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